6.7.2019
von Roger Blum und Jan Seifert
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Vor drei Jahren stießen wir im Westteil des Liepnitzsees auf massive Eichenpfähle, die teilweise mehrere Meter aus dem Seegrund ragten (siehe Artikel). Bei weiteren Tauchgängen konnten wir in dem Gebiet eine Vielzahl von Pfosten und einige Ösenbalken feststellen. Dies legte die Vermutung einer alten Brücke zu der im See befindlichen Insel, dem Liepnitzwerder, nahe. Es stellte sich heraus, dass die Brückenkonstruktion noch nicht Gegenstand eingehender archäologischer Forschung gewesen ist.
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Gemeinsam mit dem Mittelalter-Archäologen Dr. Felix Biermann vom Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte der Universität Greifswald und mit Unterstützung von Dr. Thomas Kersting vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum haben wir die Brücke eingehend untersucht. Ziel war die Klärung der Frage, aus welcher Zeit die Brücke stammt sowie die Dokumentation des Brückenverlaufs.
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Um die Brücke nicht zu beschädigen, entnahmen wir die erste Holzprobe von einem auf dem Grund liegenden Pfahl. Der dendrochronologische Befund ergab, dass das beprobte Eichenholz u/n 668 v. Chr., also aus der Bronzezeit, stammt. Hatten wir die älteste Brücke in Brandenburg gefunden?
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Die Vermutung verdichtete sich, nachdem Dr. Biermann auf der Westseite des Liepnitzwerder einen bisher unbekannten bronzezeitlichen Burgwall lokalisierte. Zahlreiche Funde, u.a. eine Knopfsichel und eine reich verzierte Plattenfibel sowie mehrere tausend bronzezeitliche Scherben wurden im Bereich des Burgwalls gefunden. Eine kleine Überraschung war auch ein kleiner Schatzfund askanischer Denare aus der Zeit um 1300. Es war für uns eine spannende Aufgabe bei einer mehrtägigen Ausgrabung mitzuhelfen.
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Grabung auf dem Liepnitzwerder
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Aufgrund der häufig schlechten Sicht unter Wasser, war die Vermessung der Brücke eine aufwändige Arbeit. Um nicht den Überblick zu verlieren, haben wir jeden Pfahl nummeriert. Dr. Biermann bat uns weitere Holzproben mitzubringen. Also sägten wir mehrere Pfosten und einen Ösenbalken und markierten diese in dem von uns gefertigten Plan des Brückenverlaufs.
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Zwecks dendrochronologischer Untersuchung abgesägter Eichenpfahl
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Die Überraschung war groß, nachdem die Auswertung der neuen Holzproben Dedrodaten um 1190 n. Chr. ergaben. Also hieß es abermals abtauchen und weitere Proben nehmen. Sämtliche Proben ergaben, dass die Pfosten aus dem Ende des 12. Jahrhunderts stammten. Es handelte sich somit um eine spätslawische Brücke. Der zuerst beprobte, aus der Bronzezeit stammende Pfahl lag zufällig in der Nähe der Brücke und stand offensichtlich nicht mit ihr im Zusammenhang. Es zeigte sich, wie wichtig es ist, mehrere Proben zu nehmen. Es handelte sich somit nicht um die älteste Brücke Brandenburgs, sondern um eine der letzten slawischen Brücken. Allerdings wurden weder bei der Detektorprospektion noch bei der Ausgrabung auf dem Liepnitzwerder slawenzeitliche Funde gemacht. Es stellt sich somit die Frage, zu welchem Zweck die Brücke errichtet wurde und wer die Brücke zu dieser Zeit noch in slawischer Inselsiedlungstradition baute. Dieses Rätsel ist bisher nicht gelöst und bietet Raum für weitere Forschungen.
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Ein weiteres von uns begleitetes Projekt waren Dokumentations-, Vermessungs- und Prospektionsarbeiten am Pfahlbau in Altenhof am Werbellinsee. Ebenfalls gemeinsam mit Herrn Dr. Biermann und mit Genehmigung durch die Denkmalschutzbehörde haben wir einen mittelalterlichen Adelssitz aus der Zeit Otto IV. untersucht. Ziel war die Erfassung und Kartierung der Anlage sowie die Suche nach Bodenfunden, um anhand der Befunde neue Erkenntnisse zum bisher noch ungeklärten Nutzen der baulichen Anlage zu ermöglichen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine ehemalige Wasserburg (sog. Kemlade). Dieser Burgentyp des Mittelalters ist bisher wenig erforscht.
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Pfahlreste im Werbellinsee
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Den bereits existierenden Grundrissplan der Pfahlsetzungen aus dem Jahre 1957 konnten wir durch den Nachweis weiterer Pfahlreste vervollständigen. Bei unseren Unterwasseruntersuchungen kamen viele interessante Funde zutage, u.a. Armbrustbolzen, Pfeilspitzen, mittelalterliche Keramik, Knochen, ein Messer und eine Bügelschere. Ein besonderer Fund war ein sogenannter „Bisamapfel“, ein schmuckartiger Behälter für Duftstoffe, der im Mittelalter gegen Körpergeruch und für medizinische Zwecke verwendet wurde. Die Funde wurden von Dr. Biermann wissenschaftlich ausgewertet.
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Pfeilspitze und Mittelalterliche Keramik (sog. Grauware)
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Die Ergebnisse unserer Unterwasserforschungen am Liepnitz- und Werbellinsee stellte Dr. Biermann am 11. Mai 2019 auf der Jahrestagung der Archäologischen Gesellschaft in Berlin und Brandenburg e.V. vor. Der Titel des Vortrags lautete: „Inselburgen, Brücken, Kemladen - Forschungen zu Inseln und Seen von Vorgeschichte bis Mittelalter“. Anschließend wurde unser Film „Ein Tauchgang am Fundplatz Kemlade“ gezeigt, an dem auch Steven Blum und Detlef Rettig maßgeblich mitgewirkt haben.
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Wir freuen uns auf neue spannende Projekte in diesem Jahr. Vielleicht kann das Rätsel vom Liepnitzsee durch weitere Tauchgänge gelöst oder neue Inselsiedlungen entdeckt und dokumentiert werden.
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