von Roger Blum
Die Pfahlbauten bei Altenhof
Überreste einer „versunkenen Stadt“ im Werbellinsee?
Wohl jeder von uns kennt die Geschichte vom mächtigen Inselreich Atlantis, das an einem Tag und in einer Nacht in den Tiefen des Meeres verschwunden sein soll. Das gleiche Schicksal wird der sagenhaften Stadt Vineta nachgesagt, die angeblich irgendwo vor Usedom und Wollin auf dem Grund der Ostsee ruht. Hunderte von Büchern gibt es zu diesem Thema. Atlantis und Vineta werden als überaus reiche Städte beschrieben, deren Einwohner mit zunehmenden Reichtum moralisch verfielen. Dafür traf sie der Zorn Gottes, und die üppigen Städte wurden urplötzlich vom Meer verschlungen.
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Ich staunte aber nicht schlecht, als ich in einem Buch über deutsche Volkssagen auch eine Geschichte über eine versunkene Stadt im Werbellinsee fand. Da es vor einigen Hundert Jahren noch kein Urheberrecht gab, ist es nicht weiter verwunderlich, dass eine Version von einer reichen Stadt berichtet, deren Bewohner aus goldenen Bechern tranken, von goldenen Tellern aßen und Schuhe aus purem Silber trugen. Ihr Reichtum verführte die Bürger jedoch zu Übermut, Hartherzigkeit und lockerem Lebenswandel. Der Legende nach ist eines Tages ein Bettler in die Stadt gekommen. Trotz des großen Reichtums gab ihm niemand auch nur ein Stückchen Brot. Erst am letzten Haus der Stadt wurde er erhört. Dort versorgte ihn ein gütiger Mensch mit Speise und Trank und spendete ihm Trost. Daraufhin verlies der Bettler die Stadt. In der folgenden Nacht träumte der gute Mensch, dass auch er die Stadt so schnell wie möglich verlassen muss, was er auch gleich tat. Unterwegs merkte er, dass er etwas
Wichtiges vergessen hatte und kehrte um. An der Stelle der Stadt fand er aber nur noch einen großen See – den Werbellinsee.
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Einer anderen Sage nach befand sich in der Mitte der Stadt Werbellow ein Schloss, dass rings von Wasser umgeben und nur über eine Zugbrücke zu erreichen war. Der Herr des Schlosses war ein böser Zauberer, der nur selten Fremde empfing. Als eines Tages eine alte Frau ins Schloss hinein wollte, trieb der Herr sie zurück. Daraufhin verfluchte sie ihn mit den Worten: „Ich will zurückgehen, aber du sollst untergehen!“ Zu dieser Zeit befand sich ein Fremder in der Stadt, der ein gottesfürchtiger Mann war. Die alte Frau wollte seinen Untergang nicht auch noch herbeiführen. Sie ging deshalb zu ihm und sagte, er solle eilig die Stadt verlassen, weil sie bald untergehen würde. Da packte der Fremde schnell seine Sachen zusammen und ging mit seinem Bediensteten davon. Auch er war etwas vergesslich und schickte seinen Diener zurück. Der kam nach kurzer Zeit wieder und sagte, die Stadt und das Schloss seien spurlos verschwunden, und an deren Stelle sei ein großer See entstanden. Noch heute soll es
Sonntagskindern vergönnt sein, am Johannistag zur Mittagsstunde die Glocken der Stadt läuten zu hören. Außerdem soll Jahr für Jahr eine „weiße Frau“ aus den Wogen des Werbellinsees steigen, die sich ein männliches Opfer holt. Vorher geschehen aber allerhand ungewöhnliche Ereignisse, die den Tod ankündigen.
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Auch die Vineta-Legende endet so ähnlich. Die silbernen Glocken der Stadt soll man noch jeden Abend, wenn kein Sturm auf See ist, hören, wie sie tief unter den Wellen läuten. Nach einer anderen Überlieferung erscheint auf der Stätte des ehemaligen Vineta ein gespenstiges Nebelschiff, welches selbst die Lotsen irreleitet. Ohne Gnade wird das Schiff an den Felsen geworfen, an denen es rettungslos zerschellt, und keiner der Seeleute kann aus den Wellen sein Leben retten.
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Was ist aber wahr an der Sage von der verschollenen Stadt im Werbellinsee? Es gibt seit 1273 mehrere Urkunden, die einen Ort Werbellin genannt ist. Eine Urkunde vom 20. Juli 1355 ist unterschrieben mit „Datum in merica Werbelyn prope Stagnum verbelyn…“ (Gegeben in der Heide Werbellin bei dem Gewässer Werbellin). Die heutige Ortschaft Werbellin, die sich etwa 2 km südöstlich des Sees befindet, konnte mit dem Ausstellungort nicht gemeint sein, da sie erst Mitte des 18. Jahrhunderts entstand.
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Von einer mittelalterlichen Bebauung zeugen eine große Zahl von Resten eichener Pfähle, die in der Bucht nordöstlich der Alten Fischerei in Altenhof befinden. Das große Pfahlfeld sowie frühgeschichtliche Scherbenfunde deuten hier auf eine Ansiedlung hin. Die Pfähle sind in unterschiedlich gutem Zustand. Sie stehen auf seichten Seegrund in einer Tiefe zwischen 1 und 2 m und können mit Schnorchelausrüstung erkundet werden. Es sollte eine Boje mitgeführt werden, da sich die Pfähle unmittelbar vor dem Stegbereich der Wassersportler befinden und hier reger Bootsverkehr herrscht.
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Überreste von Pfahlbauten im Werbellinsee
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Die Pfähle wurden bereits im Jahre 1957 und 1958 von Tauchern des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR untersucht. Dabei wurden Keramikscherben (eine ausgeprägte blaugraue Keramik) und Bruchstücke eines silbernen Bechers gefunden. Die Funde wurden auf das 13. und 14. Jahrhundert datiert. Der Beginn der Siedlung wird auf das Jahr 1220 datiert und das Ende um 1350.
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Es wird vermutet, dass es sich bei dem Pfahlbau um eine wohnturmähnliche Anlage gehandelt hat. Zu erkennen ist eine trapezförmige (eventuell ursprünglich quadratische) Fläche, die der Unterbau des ehemaligen Turmes sein könnte. Umgeben ist dieser Bereich von einer bogenförmige Pfahlreihe, die als Einfriedung gedient haben könnte. Es gibt noch einige kleinere Pfostengruppen, die jedoch nicht sicher zu deuten sind. Wahrscheinlich wird es sich um Nebengebäude und Verbindungswege zum Ufer gehandelt haben. In der Gesamtheit handelte es sich wohl um die Überreste eines hölzernen „Schlosses“ oder einer Burg, zu der am Land eine Siedlung gehört hat.
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Gegen die These eines hochmittelalterlichen Herrensitzes spricht zwar der Umstand, dass die Pfahlreihe nicht völlig um die Gebäude herumgeführt ist, sondern zum Land hin fehlt. Dies könnte sich aber dadurch erklären, dass die dem Ufer am nächsten stehenden Pfähle bereits von Holzsammlern entfernt wurden.
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Zum Teil wurde sogar angenommen, dass die Burganlage im Werbellinsee einem befriedeten Raubritter gehörte. Die wasserburgartigen „Ausweihquartiere“ wurden von den befriedeten Raubrittern häufig auf Inseln gebaut, weil sie so das Verbot umgehen konnten, einen Burggraben anzulegen. Teilweise wurden die Inseln sogar künstlich aufgeschüttet. Dagegen spricht allerdings, dass Altenhof (der Name könnte bereits auf einen „alten Hof“ im Sinne eines Adelshofes hindeuten) immer zum Territorium der Markgrafen von Brandenburg gehört hatte. Dies spricht dafür, dass es sich wohl nicht um eine zerstörte Raubritterburg, sondern eher um die Überreste einer landesherrlichen Burg handelt. Die Heimatforschung hat für den namenlosen „Alten Hof“ als ursprüngliche Bezeichnung eine curia Breden erschlossen. Diese wird seit 1308 mehrfach genannt. Die Anlage wird daher auch als „Bredenburg“ bezeichnet. Die letzte Nennung findet sich im Jahre 1375. Dies dürfte die Annahme bestätigen, dass die Siedlung um 1350
zugrunde gegangen ist.
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Doch wie und warum versank das „Schloss“ im Werbellinsee? Da die Pfähle nur noch ganz wenig im Boden stecken, könnten sie ursprünglich im natürlichen Boden etwa in Höhe des umliegenden Strandes oder in einem künstlich errichteten Hügel gesteckt haben, der durch anhaltende Abspülung oder den Anstieg des Wasserspiegels durch einen Mühlenstau weggeschwemmt worden ist. In Betracht käme auch ein großer Brand um das Jahr 1350, der die hölzernde Burg vernichtete.
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Im Ergebnis ist festzustellen, dass es im 12. und 13. Jahrhundert bei Altenhof eine hölzernde, burgähnliche Anlage im Werbellinsee gab, die plötzlich um das Jahr 1350 verschwunden ist. Wahrscheinlich entstand so die Sage von der untergegangenen Stadt im Werbellinsee.
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Quellen:
Gerhard Kapitän und Paul Grimm, „Unterwasserforschung an einem Pfahlbau im Werbellinsee bei Altenhof“, mit weiteren Nachweisen.
Hans-Jörg Uther, Deutscher Sagenschatz, Sonderausgabe 2000, Heinrich Hugendubel Verlag, München (2000), S. 114 f.
Günter Lanitzki, "Amphoren, Wracks,versunkene Städte - Grundlagen,Probleme, Erfahrungen und Ergebnisse der Unterwasserarchäologie", F.A. Brockhaus Verlag Leipzig, 3. Auflage (1980), S. 135.
Günter Wermusch, Rätselhafte Mark – Sagen und Märchen der Mark Brandenburg auf den Grund gegangen, be.bra Verlag, Berlin (1995), S. 36 ff.
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Bergung eines slawischen Brückenpfeilers im Oberuckersee (Deutschland)
Dies ist ein Bericht über eine Bergung, die im Jahre 2006 begann und 2015 zum Abschluss kam. Es wurde nicht ständig daran gearbeitet, in der Regel wurden jeweils im Sommer ein oder zwei Versuche mit verschiedenen Techniken unternommen. Das Ziel war nicht nur der Pfahl selber, sondern ebenso ein Lernprozess im Sinne von Versuch und Irrtum unter dem Einsatz verschiedenen Gerätes, das zum größten Teil selbst entworfen und gebaut wurde.
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Die Kaffenkähne im Werbellinsee
Berlin war im 18. und 19. Jahrhundert im Wachstum begriffen. Der Werbellinsee war ein Teil einer Wasserstraße, auf dem Ton, Pflastersteine und Ziegel mit Schiffen in die Hauptstadt verbracht wurden. Viele der Holzwracks im Werbellinsee sind sogenannte „Finowmaßkähne“ von etwa 3 bis 4 m Breite und 30 bis 40 m Länge mit einem Ladevolumen bis 150 t. Diese Lastkähne brachten nach der Fertigstellung des Finowkanals im Jahre 1746 und des Werbellinkanals im Jahre 1766 Baustoffe nach Berlin.
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