11.12.2020
von Steven Blum
Buchvorstellung
Schwerelose Zeiten
Tauchererinnerungen
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Der Tauchsport in der ehemaligen DDR hat zweifelsohne Höhen und Tiefen erlebt. Umso interessanter ist es daher, dem historischen Bogen zu folgen, der von den Anfängen in der Nachkriegszeit über die Organisation nach den „wilden Jahren“, den Entwicklungen im Wehr- und Wettkampfsport sowie der Ausübung im privaten Bereich bis hin zur Abwicklung des Tauchsportverbandes in der Wendezeit reicht. Die Autoren Roger Blum und Steven Blum haben zahlreiche Personen interviewt, die maßgeblich die Entwicklung des Sporttauchens in der DDR mitgeprägt haben: Sport- und Berufstaucher, Bastler und Tüftler, Funktionäre, Wissenschaftler und Hobbytaucher. Das reich bebilderte Buch zeichnet auf 340 Seiten ein facettenreiches Bild des Tauchsports unter den damaligen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen.
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Begonnen wird der lose chronologisch angelegte Rückblick mit den Tauchern vom Heinitzsee. Gerhard Steinert, Peter Scharf und Jürgen Schmidt berichten wie sie Anfang der 1950er Jahre mit selbstgebauten Tauchgeräten die Unterwasserwelt des Sees erkundeten und den „Wettlauf der Tiefe“ für sich entscheiden konnten, bei dem die magische 30 Meter- Tiefenmarke erreicht wurde. Sie nehmen uns mit in das unheimliche Stollensystem der Schramlöcher am Grunde des Sees und berichten von der Entdeckung zweier Autowracks aus alten Filmen mit Hans Albers und Harry Piel. Klaus-Dieter Krüger, Günter Netzel und Peter Raasch berichten von Fritz Reußrath und die von ihm geleitete GST-Tauchsportgruppe aus der Klosterstraße in Berlin. Zu einer Zusammenarbeit der Taucher der Klosterstraße mit den Tauchern vom Heinitzsee kam es schließlich bei der legendären Heimkehle-Expedition 1958. Hier berichten Jürgen Schmidt und Klaus-Dieter Krüger von dieser Expedition, die fast in einem Fiasko endete.
Der langjährige Sektionsleiter Uwe Mattern berichtet von den Höhen und Tiefen des Tauchsportclubs Bonito 58, einem der ältesten Berliner Tauchvereine. Horst Kerzig gewährt Einblicke in die Tätigkeit des Kampfschwimmerkommandos KSK-18, dessen Kommandeur er von 1975 bis 1979 war. Siegfried Schmidt erzählt von seinem Unterwasser-Scooter "Moby Dick", der bei Badegästen und Spaziergängern immer für viel Aufsehen sorgte und Rene Enter nimmt uns mit ins Friesenstadion zu einem ungewöhnlichen Weihnachtstauchen.
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Peter Zenthöfer, Peter Scharf und Jürgen Schmidt am Heinitzsee
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Es folgt ein Abschnitt über die Entwicklung des Tauchens als Wettkampfsport und dem Traum von Olympia. Nach einer kurzen Einführung zur sportpolitischen Situation berichtet Dr. Helmut Wolff von der Gründung des Tauchsportklubs der DDR und über dessen Aufnahme in den Tauchsport-Weltverband CMAS. Als erster Präsident des Tauchsportklubs der DDR vertrat er die Interessen der ostdeutschen Sporttaucher auf internationaler Ebene und konnte Entwicklungen des Wettkampf- und Leistungssports aktiv mitgestalten. Höhepunkt bildete die Vergabe der VII. Europameisterschaft im Flossenschwimmen und Streckentauchen nach Potsdam. Der Ingenieur Horst Pastor, ehemaliger Flossenschwimmer in der DDR-Nationalmannschaft und Chefentwickler der Zentralwerkstatt für Tauchertechnik der GST, berichtet über nationale und internationale Wettkämpfe und die zunehmende Technologiesierung durch den vermehrten Einsatz sporttechnischer Innovationen zur Leistungsunterstützung.
Abgeschlossen wird der Abschnitt durch ein Interview mit dem Sportmedizinier Prof. Dr. Gernot Badtke. Als Verbandsarzt des Tauchsportklubs der DDR und dessen Nachfolgeorganisation sowie Leiter des Sportmedizinischen Dienstes in Potsdam war er über viele Jahre für die flächendeckende sportärztliche Betreuung der DDR-Tauchsportler und die Einführung eines landesweit einheitlichen Sichtungs- und Auswertungssystems zur gezielten Sichtung von Nachwuchstalenten verantwortlich. Prof. Dr. Badtke gibt einen Einblick in seine Arbeit und erzählt, wie er 1990 als letzter Präsident des Tauchsportverbandes der DDR den Zusammenschluss des Tauchsportverband der DDR mit dem Verband Deutscher Sporttaucher (VDST) leitete.
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Der Autor Steven Blum mit Prof. Dr. Gernot Badtke (oben), Horst Pastor (Mitte) und Dr. Helmut Wolff (unten)
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Ein großer Teil des Buches widmet sich der Geschichte der Unterwasserarchäologie in der DDR. Es beginnt mit Reußrath´s Suche im Sommer 1956 nach einer slawischen Brückenverbindung an der Remusinsel im Rheinsberger See, führt über die Erforschung einer mittelalterlichen Wasserburg im Werbellinsee (1958/1959) bis hin zu Untersuchungen an einem Pfahlfeld im Unteruckersee in den Jahren 1977/1978. Dr. Martin Rauschert, der einige Jahre als wissenschaftlicher Sekretär der Arbeitsgemeinschaft für Unterwasserforschung an der Akademie der Wissenschaften tätig war, begleitete in den 1960er und 1970er Jahren mehrere unterwasserarchäologische Projekte und gibt einen Einblick in seine Forschungen an der Burgwallinsel im Oberuckersee und der Suche nach Rethra, dem legendären Heiligtum der Slawen, im Breiten Luzin. Meist waren es aber auch keine Berufsarchäologen, sondern Sporttaucher, die Fundstellen aufspürten und ihre Erforschung einleiteten. In einem Interview berichtet Hans-Jürgen Schulz, wie er vor der
Klosterhalbinsel Seehausen den wohl größten Unterwasserhortfund mittelalterlicher Gefäße des 13. bis 16. Jahrhunderts machte, bei dem mehr als 20.000 Einzelstücke, darunter knapp 900 fast vollständig erhaltene mittelalterliche Krüge, Kannen und Gefäße, geborgen werden konnten.
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Unterwasserarchäologische Untersuchung in Warnitz am Oberuckersee
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Weiterhin nimmt das Buch den Leser auf die Reise in die entlegensten Regionen unserer Erde. Es wird berichtet von der Fahrt auf dem Forschungsschiff „Meteor“ ins Rote Meer 1959/1960 und der Acropora Expedition, bei der 1976 eine Gruppe des Meeresmuseums Stralsund im Roten Meer drei Monate Meerestiere für die wissenschaftliche Auswertung gesammelt und konserviert haben. Dr. Helmut Wolff erzählt von der Korallen-Expedition 1967, bei der vor Kuba ein ganzes Korallenriff abgebaut und später als Riffdiorama im Naturkundemuseum in Berlin wieder aufgebaut wurde. Günter Netzel erinnert an eine Tierfangexpedition 1960 an die Adria, in dessen Mittelpunkt die Aufgabe stand, Fische und Pflanzen für das neue Aquarium-Cafe des Tierparks Berlin zu fangen. Ein weiteres Kapitel ist dem Forschungstaucher Dr. Martin Rauschert gewidmet. Es wird von einer Reise 1969/70 rund um Afrika sowie seinen Antarktisüberwinterungen (1980-1982 und 1984-1986) in der sowjetischen Station Bellingshausen berichtet.
Danach erzählt Uwe Mattern von seinem Antarktisaufenthalt in der von der DDR betriebenen Forschungsstation „Georg Forster“.
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Dr. Martin Rauschert (2020)
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Der nächste Abschnitt des Buches widmet sich dem Traum vom Wohnen unter Wasser. Ende der 1950er und zu Beginn 1960er Jahre befeuerten die rasanten Fortschritte auf dem Gebiet der Tauchtechnik den Wunsch, sogenannten Aquanauten einen wochen- oder gar monatelangen Aufenthalt auf dem Grund der Meere zu ermöglichen. Dr. Helmut Wolff und Dr. Martin Rauschert nahmen an Missionen der sowjetischen Unterwasserstation „Tschernomor“ teil. Fasziniert von der Idee des Wohnens unter Wasser begannen auch einige Enthusiasten mit geringsten finanziellen Mitteln und zumeist ohne staatliche Unterstützung Unterwasserhäuser in Privatinitiative zu bauen. Manfred Börner berichtet, wie er gemeinsam mit Karl-Heinz Foltyn und Peter Fuchs aus Dippoldiswalde den Bau der ersten DDR-Unterwasserstation „MALTER I“ realisierte und den ersten Langzeitaufenthalt in der Station absolvierte. Weiterhin wird in einem Interview von Steven Blum und Falk Wieland mit Volker Buder eindrucksvoll vom Bau und Betrieb der sternförmigen
Unterwasserstation RII berichtet, die die letzte "offizielle" Ausbildungsstation der GST war.
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Ausführlich widmet sich das Buch auch den Schreibern, Filmern und Fotografen. Es finden sich unter anderem Interviews mit dem ehemaligen Chefredakteur der DDR-Taucherzeitschrift „Poseidon“ Lutz Strobel und dem freischaffenden Schriftsteller Norbert Gierschner. Der Unterwasserfotograf, Schauspieler und Autor Otmar Richter berichtet von den Arbeiten zum Film „Amor holt sich nasse Füße“ und von den Fotowettkämpfen der Berliner Gruppe für UW-Fotografie. Abschließend nimmt uns Bernd Papenfuß mit auf einen Unterwasserfotowettkampf an den Baikalsee und auf eine Reise ans Weiße Meer.
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Zahlreiche Erinnerungsstücke ostdeutscher Taucher aus den Jahren 1950 bis 1990 sind erhalten geblieben und haben ihren Weg in das Sporttauchermuseum Berlin-Wendenschloß gefunden. Die Vitrinen des Museums sind gefüllt mit Masken, Schnorcheln, Flossen, Kreislauf- und Presslufttauchgeräten, Tauchanzügen sowie zahlreichen Foto- und Filmkameras Marke Eigenbau. Otmar Richter, erster Vorsitzender des nach der Wende neugegründeten Tauchsportklubs Adlershof e.V. und erster "Museumsdirektor" des Sporttauchermuseums, schildert, wie vor zwanzig Jahren nach dem ersten Tauchveteranen-Treffen der „Alten Karpfen“ mit der Sammlung historischer Tauchausrüstungen begonnen wurde und wie die Idee der Gründung eines Sporttauchermuseums entstand.
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Die Autoren sind sehr dankbar, dass ihnen so viele persöhnliche Eindrücke und Erlebnisse vermittelt sowie Fotos und Dokumente zur Verfügung gestellt wurden. Sie hoffen mit diesem Buch die vielen unterschiedlichen Geschichten bewahren zu können.
Eines vereint sie alle - die Leidenschaft und Freude am Tauchen.
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Gebunde Ausgabe
1. Auflage (2020)
340 Seiten
ISBN: 978-3-00-066561-5
Bezug über: gierschner.de
r.blum@tauchsportklub-adlershof.de
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