336 Flüsse und unzählige kleine Bäche fließen in den Baikalsee, doch er hat nur einen Abfluss – die Angara. Sie ist einer der großen Flüsse Sibiriens. Die Angara fließt vom Baikal landeinwärts und wird südöstlich von Irkutsk aufgestaut. Hier befindet sich das erste Wasserkraftwerk von einer Abfolge vieler Stauseen entlang des Flusses. Nach 1779 km mündet sie in den Jenissei und fließt über ihn in die Karasee des Polarmeeres.
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Angara, die Tochter des Baikal
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Einer russischen Legende nach hatte der Baikal über dreihundert Söhne und nur eine Tochter - die Angara. Eines Tages verliebte sich Angara in Jenissei und verließ den Vater um mit ihrem Geliebten zusammen sein zu können. Aus Zorn warf Baikal einen großen Stein nach ihr, als sie entgegen seinem Verbot die den See umgebenden Felsen auseinander schob und sich zu ihrem Geliebten, dem Jenissei, auf den Weg machte. Dieser Stein ragt bei Listwjanka aus dem Wasser des Baikalsees und markiert die Grenze zwischen Baikal und Angara. Er wird hier "Schamanenstein" genannt.
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Der „Schamanenstein“ trennt den Baikal von der Angara
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Die Suche nach dem versunkenen Dorf
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Wir wollten die Überreste eines versunkenen Dorfs erkunden. Bevor in den 1950iger Jahren das Wasser der Angara in Irkutsk angestaut wurde, soll sich hier am Flussufer ein kleines Dorf befunden haben. Durch den Bau des Irkutsker Angara-Staudamms stieg der Wasserspiegel jedoch so hoch, dass auf der gegenüberliegenden Flussseite die Bahnlinie der Transsibirischen Eisenbahn überflutet wurde und hier das Dorf dem Wasser weichen musste.
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In der Nähe von Talzy, einem kleinen Dorf auf halber Strecke zwischen Listwjanka und Irkutsk, bogen wir in einen dichten Birkenwald und fuhren zum Ufer der Angara. Ein leichter Nebel lag noch über dem Fluss. Die Sonne schien und das Wasser lud zum Baden und Tauchen ein. Doch auch im Hochsommer ist das Wasser sehr kalt. Nur 6 Grad Celsius Wassertemperatur zeigte mein Thermometer an. Einige gingen trotzdem Baden. Respekt. Ich mummelte mich lieber in meinen Trockenanzug und bereite mich auf den Tauchgang vor.
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Ich hatte mit einer starken Strömung und geringer Sicht gerechnet. Aber weit gefehlt. Das Wasser war im ufernahen Bereich bis etwa 5 Meter Wassertiefe überraschend klar und wies eine dichte Pflanzenvegetation auf. Ich sah viele Baikalgroppen. Auffällig ist ihr dicker, breiter Kopf mit großem Maul und der sich keulenartig nach hinten bis zur Schwanzflosse verjüngende Körper. Die meisten Arten sind endemisch, kommen also nur in der Region um den Baikalsee und seinen angrenzenden Flüssen vor.
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Groppen auf dem Grund der Angara
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Viel ist heute vom ehemaligen Dorf nicht mehr zu sehen. Das meiste wurde abgetragen oder hat der Fluss mitgenommen. Lediglich ein paar Steine und ab und zu ein Topf oder eine Flasche zeugen davon, dass sich hier einst ein kleines Dorf befunden hat. Das Fehlen von Mauerresten ist schon dadurch zu erklären, dass in Sibirien die Häuser typischerweise aus Holzbohlen errichtet und nicht gemauert sind.
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Reste des versunkenen Dorfes auf dem Grund der Angara
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Andrej, unser Tauchguide wollte uns noch einen großen Anker zeigen, der sich hier auf dem Grund des Flusses befinden sollte. Der Grund war dicht mit Algen und kleinen Pflanzen bedeckt. Wir tauchten weiter bis auf etwa 17 Meter Wassertiefe ab. Hier reduzierte sich die Sicht zusehends. Den Anker fanden wir leider nicht. Es herrschte nur eine leichte Strömung, so dass wir nach knapp einer Stunde auf Grund der Angara problemlos wieder unsere Einstiegsstelle erreichen konnten.
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Bekannt ist Talzy vor allem für sein Architektur-ethnographisches Museum. Es wurde im Jahre 1966 auf einem Hügel über dem Irkutsker Stausee gegründet. Viele historische Bauten wurden hier wiedererrichtet: Ewenken-Lager, burjatischen Jurten, sibirische Bauernhäuser, Mühlen und Holzkirchen. Zentrum des Freilichtmuseums ist der Ilimsker Ostrog, eine Holzfestung aus dem 17. Jahrhundert, die vor der Stauung der Angara nach Talzy verlegt wurde.
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Freilichtmuseum Talzy mit Ilimsker Ostog
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Der Ausflug nach Talzy war für mich eine weitere interessante Erfahrung auf meiner Reise nach Sibirien. Mal sehen, was mich noch so erwartet.
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Text: Roger Blum
Fotos: Roger Blum und Detlef Vogel-Kaiser
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