von Roger Blum
Der „Fliegende Bleistift“
Auf der Spur der Dornier Do 17 im Bötzsee bei Strausberg
Flugplatz Strausberg: Mit einer kleinen Maschine von Typ Rider MD-3 rolle ich zur Startbahn.
„Strausberg-Info, Delta-Mike Golf Sierra Lima abflugbereit auf Rollhalt Bravo, Piste 23. Erbitte Startinformation“.
„Delta – Sierra Lima. QNH 1010. Wind 08 mit 9 Knoten. Start nach eigenem Ermessen.“
„Delta – Sierra Lima. Verstanden. Starte nach eigenem Ermessen.“
Auf der Startbahn richte ich das Flugzeug an der Centerline aus und gebe Vollgas. Als die Maschine auf 60 km/h beschleunigt, entlaste ich durch ein Anziehen des Steuerknüppels das Bugrad. Die Maschine beginnt abzuheben. In 500 ft. Höhe fahre ich die Klappen ein, reduziere die Motorleistung und steige mit 120 km/h auf Platzrundenhöhe von 1.100 ft. Ich melde mich beim Tower ab und verlasse im Steigflug die Platzrunde von Strausberg.
Ziel meines heutigen Fluges ist der Bötzsee zwischen Strausberg und Altlandsberg. In den etwa 4 km langen und 400 m breiten See soll wenige Tage vor Weihnachten des Jahres 1944 eine Dornier Do 17 abgestürzt sein. Der zweimotorige Schulterdecker mit doppeltem Seitenleitwerk wurde wegen seiner schlanken Rumpfform scherzhaft als „Fliegender Bleistift“ bezeichnet. Die Maschine war vom Fliegerhorst Strausberg zu einem Schulungsflug gestartet.
Der Flugplatz Strausberg wurde 1927 als Segelfluggelände gegründet und ab 1935 von der Luftwaffe als Flieger-Übungs- und Ausbildungsstätte Strausberg genutzt. Nachdem das Gelände ausgebaut wurde erfolgte am 1. November 1939 die offizielle Einweihung als Fliegerhorst. Neben der Flugschule waren hier verschiedene Schlacht- und Jagdfliegereinheiten stationiert. Von besonderem Interesse ist die Navigationsschule, der auch die im Bötzsee abgestürzte Do 17 angehörte. Die Navigationsschule mit einem Stammpersonal von bis zu 500 Mann vermittelte künftigen Navigatoren der Luftwaffe in sechsmonatigen Lehrgängen das navigatorische Rüstzeug. In einem großen Navigationssaal mit einem so genannten künstlichen Himmel befanden sich ein Planetarium und in der Blindflugschule ein Flugsimulator, wo Starts und Landungen im Nebel am Lehrmodell simuliert wurden.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Flugplatz von der Roten Armee, den Luftstreitkräften der Nationalen Volksarmee und nach der Wiedervereinigung von der Bundeswehr genutzt. Der militärische Flugbetrieb endete 1992. Danach erfolgte die Nutzung als Verkehrslandeplatz. Auch ich habe vor einigen Jahren in Strausberg mit dem Fliegen begonnen und hier die Sportpilotenlizenz erworben. So konnte ich meine Hobbys Tauchen, Archäologe und Fliegen zu einem Hobby verbinden: Unterwasser-Luftfahrtarchäologie.
Ich fliege von Petershagen/Eggersdorf auf das südwestliche Ufer des Bötzsees zu. Mittlerweile habe ich eine Flughöhe von 2.200 ft. erreicht. Deutlich zu sehen sind zwei über den See führende Stromleitungen. Die Absturzstelle befindet sich in Höhe des zweiten Strommastes. Hier endete der verhängnisvolle Flug der Do-17.
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Zur Absturzursache gibt es unterschiedliche Angaben: Die einen sprechen von einem Motorschaden; andere behaupten, die Maschine sei von einem amerikanischen Jagdbomber abgeschossen worden. Als sicher gilt, dass die dreiköpfige Besatzung eine Notwasserung auf dem Bötzsee versuchte. Die Maschine raste mit hoher Geschwindigkeit auf das Westufer des Sees zu. In der Uferzone hatte das Flugzeug noch eine so hohe Geschwindigkeit, dass es sich auf den Kopf stellte und mit der Rumpfspitze und den beiden Motoren in den Seeboden bohrte. Kein Besatzungsmitglied überlebte das Unglück. Die Luftwaffe hatte das Flugzeug und die Besatzung unmittelbar nach dem Unglück geborgen. Allerdings brach beim Herausziehen die Rumpfspitze bis zu den Pilotensitzen ab und verblieb im See. Nach langen Nachforschungen wurden die Überreste des Flugzeugs von Tauchern des Deutschen Unterwasserclubs Berlin e.V. (DUC) geortet. Im Oktober 1998 wurde die Absturzstelle von DUC-Tauchern im Auftrag des Deutschen Technikmuseums
Berlin eingehend untersucht. Die Taucher fanden die Teile der Rumpfspitze und konnten Reste der Kanzel mit Instrumenten und der Steuersäule aus dem Schlamm bergen und dem Technikmuseum übergeben. Gefunden wurde angeblich auch ein gut erhaltenes Fußbodenstück des Co-Piloten. Unmittelbar neben den Fußpedalen sollen noch beide Fliegerstiefel des Co-Piloten gestanden haben.
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Ich habe die Absturzstelle in der Vergangenheit bereits betaucht. Zu sehen ist hier nichts mehr. Lediglich kleine Trichter lassen erahnen, wo sich Rumpfspitze und die beiden Motoren in den Seegrund gebohrt hatten.
Nachdem ich die Absturzstelle zweimal überflogen habe, nehme ich wieder Kurs auf Strausberg. 5 Minuten vor dem Erreichen des Flugplatzes Strausberg melde ich mich beim Tower an und beginne mit dem Sinkflug. Ein interessanter Ausflug geht zu Ende als die Maschine sanft auf der Landebahn aufsetzt.
Fotos: Roger Blum
Quellen:
Rüdiger Snay, Archäologie und Unterwasserarbeit im DUC Berlin, in: Froschmann – Sonderausgabe zum 50jährigen Bestehen des Deutschen Unterwasser Club Berlin e.V., S. 43.
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