Das Katastrophenschiff
Wracktauchen an der Jan Heweliusz
Etwa 20 Seemeilen nordöstlich von Rügen ruht das 140 m lange Fährschiff „Jan Heweliusz“. Riesengroß erhebt sich der düstere Stahlrumpf über den Grund. Das Schiffswrack übt auf mich eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Im grünen Dämmerlicht der Ostsee bleibt neben dem Sichtbaren immer Spielraum für die Phantasie. Ich stelle mir vor was einst geschah und welche Schicksale und Geschichten hinter der Schiffskatastrophe stehen. Vielleicht spielte sich ja kurz vor dem Untergang eine emotional berührende Geschichte wie in James Camerons „Titanic“-Film ab.
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Die polnische Fähre sank am 14. Januar 1993 in einem Orkan („Vernena“) bei einer Windgeschwindigkeit von über 160 km/h und bis zu 4 m hohen Wellen. Die Fähre war mit Lastwagen beladen, die offenbar schlecht oder gar nicht gesichert waren. Das Schiff war einige Tage zuvor mit der Kaimauer im schwedischen Hafen Ysad kollidiert und ist vermutlich nur ungenügend instand gesetzt worden.
Um 3:28 Uhr meldete die Besatzung Probleme mit der Ladung, um 4:35 Uhr bekam das Schiff 30 Grad Schlagseite, die Passagiere wurden an die Rettungsstationen beordert. Um 4:37 wurde der erste Funkruf mit der Bitte um sofortige Hilfe abgesetzt. Um 4:45 rief die Besatzung „Mayday“, das Schiff hatte da bereits 70 Grad Schlagseite. Nach dem zweiten Notruf um 5:27 Uhr verschwand das Schiff von den Radarschirmen, um 5:50 Uhr trieb es kieloben, bis es schließlich gegen 11:00 Uhr sank. Trotz sofort eingeleiteter Rettungsmaßnahmen konnten nur neun Seeleute gerettet werden. Aufgrund der Passagierlisten wird vermutet, dass 55 Menschen in der eisigen Ostsee ums Leben kamen. Jedoch konnten nur 37 Leichen geborgen werden. Außerdem wurde vermutet, dass in den LKW`s versteckte Asylanten ertrunken sein sollen. Dies wurde durch polnische Taucher aber verneint.
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Schon vor dem Untergang hatte die „Jan Heweliusz“ von sich reden gemacht. Bereits zwei Wochen nach ihrer Jungfernfahrt rammte das Schiff im August 1977 in Bornholm eine Kaimauer. Ein halbes Jahr später kenterte die Fähre beim Beladen. Mit 45 Grad Schlagseite lag sie im Hafen von Ysad. Im August 1982 kenterte das Schiff erneut. Sechs Besatzungsmitglieder konnten sich durch einen Sprung ins Wasser retten. Die restliche Besatzung war für Stunden im Inneren des Schiffs eingeschlossen. Im September 1986 trieb das Schiff brennend auf See. Ein Marinetanker half bei der Rettung der Passagiere. Vier Monate später ließ sich die Fähre nicht mehr manövrieren und zerquetschte ein schwedisches Zollboot. Insgesamt 28 Unfälle sind seit 1977 aktenkundig geworden. Viele Seeleute nannten sie bereits „Jan Havarius“.
Bei der Fähre handelte es sich um ein sogenanntes „Ro Ro“-Schiff („roll on roll off“), d.h. die Fahrzeuge können auf der einen Seite hinauffahren und sie im Zielhafen auf der anderen Seite wieder verlassen. Beim Beladen wird so viel Zeit gespart. Bei schwerer See ergibt sich aber durch die spezielle Bauweise ein lebensgefährlicher Nachteil: Die Laderäume sind sehr groß und werden nicht durch Längs- oder Querschotten unterteilt. Ein einziger durch starke Schiffsbewegungen losgerissener Waggon oder LKW konnte so eine Kettenreaktion und damit die Katastrophe auslösen. Offenbar hatte das Fährschiff am Tag seines Untergangs sehr wertvolle oder für das Licht der Öffentlichkeit nicht bestimmte Güter an Bord gehabt, denn Unbekannte haben die Seitenwand der Fähre aufgebrannt und Container geborgen. Wegen dieser Beschädigungen ist das Wrack teilweise einsturzgefährdet.
Die polnische Reederei hat mittlerweile alle Rechte an dem Wrack aufgegeben, so dass dem Tauchen nichts entgegensteht. Es ist das am häufigsten aufgesuchte Tauchziel der MS „Artur Becker“. Aber auch wenn das Wrack inzwischen als Muschelbank ein Teil der Ostsee geworden ist, sollte man sich mit der nötigen Zurückhaltung an diesem Seemannsgrab bewegen.
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Über weitere Informationen zu dem Wrack, historische Unterlagen oder Fotos würden wir uns freuen. Bitte Mail an info [add] easydive24.de, wir freuen uns über jeden Hinweis.
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