von Roger Blum
Unterwegs im Nordmeer (Teil 2)
Im Reich der Riesenkrabben, Wale und Eisbären
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Im ersten Teil des Artikels berichtete ich von meinem ersten Tauchausflug unter der Mitternachtssonne, der Suche nach Königskrabben in der Barentssee, den ersten Walen, die uns auf der Reise nach Spitzbergen begegneten, und der Ankunft in Longyearbyen. Im zweiten Teil des Reiseberichts möchte ich Longyearbyen etwas näher vorstellen.
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Longyearbyen ist die Hauptstadt des Svalbard-Archipels. Bei strahlend blauem Himmel fuhren wir den Isfjord ein. Mit 107 km Länge ist er der längste Fjord Spitzbergens. An der Südseite liegen die beiden größten Ortschaften der Inselgruppe, die russische Polarstation und Bergarbeitersiedlung Barentsburg und das norwegische Longyearbyen. In dem Fjord sind mehrere Natur- und Vogelschutzgebiete ausgewiesen, um die reiche arktische Flora und Fauna zu schützen.
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Einfahrt in den Isfjord auf Spitzbergen
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Bei der Einfahrt in den Hafen von Longyearbyen begleiteten uns Eismöwen und Dreizehenmöwen, Eissturmvögel, Alke und ich beobachtete Küstenseeschwalben, die ihr Territorium mit lautem Geschrei entschlossen gegen einen Arktischen Skua verteidigten. Ein paar Tage später machte ich nochmal in Tromsö höchstpersönlich Bekanntschaft mit solch einer verärgerten Küstenseeschwalbe. Wahrscheinlich bin ich unbewusst ihrem Nistplatz zu nahe gekommen und so attackierte mich der
Vogel mit wilder Entschlossenheit. Die Vögel greifen mit lautem Geschrei immer den höchsten Punkt des Eindringlings an. Ich konnte mich nur wegducken, meinen Kopf schützen und mich schnell zurückziehen. Ein wahrlich „true angry bird“.
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Eismöwe und Arktischer Skua
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Es war Hochsommer auf Spitzbergen. Ich fand grüne Wiesen mit blühendem Wollgras. Ein herrlicher Anblick, der mich jedoch auch etwas nachdenklich stimmte. Nur noch knapp 1.300 km trennten mich vom Nordpol und ich hatte noch nicht das geringste Stückchen Eis oder Schnee gesehen. Obwohl ich mich an einen der nördlichsten Orte der Welt befand, konnte ich im T-Shirt herumlaufen. Isfjord bedeutet „Eis-Fjord“, weil er bei seiner Entdeckung völlig zugefroren war. Heute kommt das nicht mehr vor. Nirgendwo ist der Klimawandel deutlicher zu spüren als in der Arktis. Die Erwärmung der Atmosphäre in Polnähe erfolgt etwa doppelt so schnell wie in unseren Breiten. Die Durchschnittstemperatur steigt unaufhörlich. Die Gletscher schmelzen und das Meereis schwindet. Auf Spitzbergen wird es besonders deutlich.
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Ich wanderte vorbei am tschechischen Polarinstitut und besuchte das kleine Nordpol-Museum, in dem man viel über die großen Expeditionen und Abenteuer erfahren konnte. Am Stadtrand beobachte ich ein paar Weißwangengänse. Dann musste ich umdrehen, da ab hier ein Gewehr mitzuführen war. Wegen der Eisbären ist auf Spitzbergen das Tragen einer Waffe außerhalb der Ortschaften Pflicht.
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Nordpol-Museum und tschechische Forschungsstation in Longyearbyen
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Am Nachmittag konnte ich in Begleitung von zwei „Flintenladies“ Longyearbyen verlassen. Die beiden Meeresbiologinnen, die uns begleiteten hatten, hatten großkalibrige Gewehre geschultert.
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Wir wanderten durch das Longyeartal. Dort traf ich auf Svalbard-Rentiere (Rangifer tarandus platyrhynchus), einer kleinen endemischen Unterart des Rentieres. Der Aufstieg durch ein Geröllfeld war recht schweißtreibend. Nach knapp einer Stunde standen wir am Fuß der imposanten Endmoräne des Longyear-Gletschers. Vor hier aus bot sich uns ein fantastischer Ausblick über das Longyeartal und die südlichen Ausläufer von Longyearbyen.
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Wanderung durch das Longyeartal
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Bekannt ist das Gebiet für die vielen Fossilien. Vor allem versteinerte Blätter findet man hier sehr häufig. Vor etwa 15 bis 20 Millionen Jahren war Spitzbergen ein tropisches Dschungelparadies. In den letzten 600 Millionen Jahren hat Spitzbergen jährlich einen Weg von fast 2,5 cm zurückgelegt und sich so von 60° südlicher Breite in die Nordpolarregion vorgeschoben. Auf dem Geröllfeld vor dem Longyear-Gletscher machte ich mich auf die Suche nach Fossilien. Mit einem Hammer klopfte ich die Steine auf und wurde schnell fündig. Die Ausbeute konnte sich sehen lassen.
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Fossiliensuche vor dem Longyear-Gletscher
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Nach dem obligatorischen Fotostopp an einem der Eisbärenwarnschilder ging es wieder an Bord. Ich genoß den fantastischen Ausblick auf den Isfjord. Von hier aus ging es in den Billefjord. Der 30 km lange Fjord liegt zwischen Dickson-Land und Bünsow-Land. Am nordwestlichen Ufer befindet sich die ehemalige russische Bergbausiedlung Pyramiden, die 1998 aufgegeben wurde. Im Nordosten des Billefjords erreichten wir gegen Mitternacht Nordenskioldbreen, wo der Gletscher direkt in den Fjord kalbt. Es war der nördlichste Punkt der Reise.
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Nordenskioldbreen-Gletscher im Billefjord
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Eisbären habe ich auf Spitzbergen leider keine gesehen. Abgesehen vom Eisbärenwarnschild begegnete ich meinem ersten Eisbären, wenn auch ausgestopft, im Bierkeller der Mack Brauerei in Tromsö. Der Bierausschank beginnt hier bereits am Vormittag, was in Norwegen einmalig ist. In der Bierhalle trafen sich früher Walfänger und Polarforscher.
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Tromsö – Die Stadt der Walfänger und Polarforscher
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Auf der Rückreise unternahm ich noch zwei Tauchausflüge in Trondheim und Alesund. Die marine Flora bestand aus Blau-, Grün-, Braun- und Rotalgen. Diese sind ebenso variabel wie artenreich. In Alesund kletterte ich entlang einiger Klippen und tauchte entlang einer in die Tiefe stürzenden Steilwand. Die Pflanzenzone bestand dort im Wesentlichen aus Laminarien wie Zuckertang (Laminaria saccarina), Fingertang (Laminaria digata) und Sackwurzeltang (Saccorhiza polyschides). Sie bilden mit ihren teils meterlangen Blättern regelrechte Kelpwälder.
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Laminarienteppich in Norwegen
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Eine wunderbare Reise ging zu Ende. Jetzt hieß es Abschied nehmen von Norwegen. Bleibt nur die Frage, wann ich das nächste Mal ins Nordland zurückkehre. Ich hoffe bald.
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